Das Unglück nahm seinen Lauf. Während ich mich auf dem Flug riesig über eine Nacht in Madrid freute, sah dort alles ganz anders aus. Ich hechtete, kaum angekommen, durch den Flughafen, auf und ab, zum „Madrid-Amigo“-Schalter, wo man früher (als ich in Madrid lebte und arbeitete) seinen Hotelgutschein bekam (es war üblich, auf Iberia-Verbindungen mit Südamerika eine Nacht in Madrid zu verbringen). Mein ganzes Wissen nützte mir aber gar nichts, jetzt war eben alles anders und ich musste wieder zurück. Ich hätte schön in der Ankunftshalle bleiben sollen, statt vorschnell wegzupreschen.
Dort traf ich auf meine mitreisende und aufgebrachte Meute, und es stellte sich nämlich heraus, dass es für mich und 50 andere Gäste nur eine Warteliste gab für den nächsten Tag und den Weiterflug Madrid-Carácas. Obwohl ich in Frankfurt bei der Umbuchung des Tickets die Zweite am Schalter gewesen bin, schon merkwürdig. Immerhin hatte ich einen, wie ich fand, Vorteil gegenüber meinen Mitreisenden Deutschen und Schwizern, der mich aber ehrlich gesagt auch nicht viel weiter brachte: ich sprach spanisch. Und wie spanische Behörden so sind, wurde man von einem zum anderen weitergeschubst, „da müssen sie zu dem und dem Schalter gehen“, „ich kann ihnen da gar nicht weiterhelfen“, „es ist leider Warteliste und andere Flüge gibt es nicht“, „gehen sie doch erstmal ins Hotel, morgen sehen wir dann weiter“. Wie denn, mit ner Masse von 50 Personen auf der Warteliste?
Also ins Hotel – DIES SOLLTE EIGENTLICH EIN BERICHT ÜBER DIE WUNDERSCHÖNE NATUR VENEZUELAS SEIN, dort, so hatte man mir am Flughafen versprochen, könne ich kostenlos innerhalb Madrids telefonieren (ich hatte ja keine Peseten). Nix da, ich sollte bezahlen. Zum Glück hatte ich mir vorher am Flughafen 25 Peseten (ca 25 Pfennig) von einem Touristen erbettelt, mit denen ich meinen Anruf bei E. bezahlen konnte.
Der Ausflug in die Stadt war gestrichen, statt Freude und Vergnügen nichts als Sorgen. Im Bett liegend bekam ich einen mittelschweren Heulanfall und beschloss, nicht aufzugeben. Denn wenn ich nicht mit diesem morgigen oder ähnlichem Flug in Venezuela ankam, konnte ich mir alles schenken, mit der Abfahrt der Gruppenreise in den Djungel würde keiner auf mich warten.
Ein Hoffnungsschimmer, ich sah noch mal genau auf meine Unterlagen: mein Name war auf der Bordkarte für die Warteliste falsch geschrieben. Ich runter an die Rezeption, vielleicht lag es nur daran, dass ich auf der WL stand und mein Name nicht in der gebuchten Liste auftauchte (allerdings war das bei allen anderen der 50er Gruppe ebenso). Also runter zum Portier. Dieser verband mich mit Iberia am Flughafen, wo mir ein Herr mit Engelsstimme versuchte einzureden, dass Warteliste gar nichts zu bedeuten hätte. Ich – und auch die 50 anderen – würden morgen sicher mitkommen und ich solle jetzt doch ein ruhiges Schläfchen halten. Welch netter Mensch, ob ihm auch jemand glaubt?
Ich jedenfalls legte mich ins Bett und döste 4 Stunden vor mich hin. Nach einem guten Wannenbad hielt mich nichts mehr in dem eigentlich schönen Hotel. Ab zum Flughafen, im Morgengrauen, während alles um mich herum noch schlief.
Dort wieder ein unschuldiger Mensch am Iberia-„Public Relations“-Schalter. Der hörte zum ersten Mal von der Gruppe und unserem Malheur. Zum Glück war ich alleine und konnte so seine ungeteilte Aufmerksamkeit erhaschen. Er rief bei der Viasa an, diskutierte, und schickte mich dann dorthin.
Dann ging endlcich mal wieder alles blitzschnell. Ich wurde gebucht, Madrid-Lissabon-Carácas, letzere Strecke heute mit Viasa. Ein Wettlauf zum Schalter der Iberia begann. Gut, dass ich nur Handgepäck, einen kleinen Rollkoffer, dabei hatte. Ach ja: die Hälfte der 50 hat gestern ihr Gepäck verloren, es ist vielleicht in Frankfurt, in Carácas, in … Der nette Viasa-Beamte immer vor mir herrennend. Mist, kein Schalter mehr angezeigt. Endlich, ausser Atem angekommen hiess es: zu spät, leider schon auf dem Rollfeld die Maschine. Alles wieder zurück. Aber mein Helfer gab nicht auf! Mittlerweile waren auch andere Iberia-Mitarbeiter aufgeschreckt und die 50 Paxe, die demnächst anzurollen drohten, Gesprächsthema. Im Hotel hatte man mir übrigens versichert und glaubhaft machen wollen, wir würden alle mitkommen, dafür müssten dann die festgebuchten Iberia-Passagiere heute nacht im Hotel bleiben. Märchenstunde…
Innerhalb der nächsten 5 Minuten bekam ich ein Ticket von der TAP Air Portugal nach Lissabon. Selbstverständlich war auch diese Maschine eigentlich schon abgeflogen.Ich wünschte meinem Helfer Glück mit den anderen 50 Paxen und raste zum Flugzeug, geschafft! Hier sitze ich nun auf dem Weg nach Lissabon, einem weiteren ungeplanten Ziel auf meiner Reise nach Venezuela. Dort in Lissabon werde ich – Ankunft 9.20, Abflug 13.15 – versuchen, den Reiseveranstalter in München zu informieren. Diesem schickte ich heute nacht noch ein „Hilfe!“-Fax, und sie bekommen aber bestimmt nicht heraus, wo ich jetzt gleich landen werde. Und die gute Dial-Back-Nummerr für Deutschland befindet sich natürlich auch dort (in Deutschland). Wird einige weitere Nerven kosten, zumal in Portugal keiner gern spanisch spricht. Aber durch meinen Schlafmangel bin ich schon relativ ruhig gestellt, sie sind also sicher vor mir.